Ungemach im Schlafgemach
Fragt man Partnersuchende, worauf sie sich am meisten freuen, stehen Nähe und Zärtlichkeit auf dem Wunschzettel ganz oben. Zusammen einschlafen und aufwachen, morgens und abends weltvergessen ineinander verknotet streicheln, schnuppern, knutschen – super! Doch irgendwann stellen sich ganz irdische Fragen zu den Schlafgewohnheiten.
Mittwochabend. Clara schlurft schläfrig Richtung Wohnzimmertür. Schon halb auf dem Flur dreht sie sich um zu Paul, der ihr vom Sofa aus hinterhersieht, und verkündet: „Ich geh’ Zähne putzen.“ Ihr Blick sagt: „Und du kommst mit!“ Paul weiß, was das heißt: Clara ist bettreif. Und er soll sie in den Schlaf schmiegen. Doch er ist noch putzmunter. Außerdem kommt gleich Fußball, Englische Woche. Und Paul kennt die Ergebnisse noch nicht! Und nu? Mann und Maus ins Bett? Oder lieber Couch-Kapitän? Jetzt bloß keine Fehlentscheidung!
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Wer tickt wie?
Intensiv, intensiver, am intensivsten: diese Monate der Höchstspannung. Als zwischen Paul und Clara kein Blatt Papier passte, sobald sie im selben Raum waren. Als sie alles und jeden stehen und liegen ließen, um sich zu spüren. Ins Bett? Sofort!
Mittlerweile ist der Alltag wieder Chef. Und sein nerviger Erfüllungsgehilfe, der Wecker. Anfangs reichten Luft und Liebe, um übernächtigt und trotzdem voller Energie durch den Arbeitstag zu kommen. Jetzt ist der Schlafbedarf wieder im Lot. Clara, die PRlerin, geht oft klar vor Mitternacht in die Federn, um in den Morgen-Meetings fit zu sein, weil sie oft einfach früh müde ist.
Und Paul? Der ist Architekt. Freiberufler. Anders als Clara bekommt er spätabends oft die zweite Luft. Pauls Glück: Er kann seinem inneren Taktgeber folgen. Er ist Herr über seine Zeit, kann sie selbst einteilen. Auch mal erst um zehn aufstehen, dafür auch mal bis um zehn am Rechner sitzen. Er braucht das, um sich frisch und frei zu fühlen.
Wie wir alle (eigentlich) ticken
Spätestens seit der Moderne arbeiten wir gegen sie: unsere biologische Uhr. Die folgt nicht unserem Schul- und Arbeitsrhythmus, sondern dem natürlichen Tag-Nacht-Wechsel. Munter oder müde? Neben ausreichend Schlaf entscheidet darüber die Sonne. Je nach Tageslicht meldet die Netzhaut: „Es wird hell (oder dunkel).“ Unser Hirn gibt an den Körper weiter: „Aktivität und Funktionen rauffahren (oder runter).“
Dazu gibt es tagsüber natürliche Fitness-Schwankungen. Der heftigste Ausschlag nach unten erwischt viele nach dem Lunch – das Mittagsloch. Einige Unternehmen haben für ihre Mitarbeiter darum Oasen fürs Mittagsschläfchen eingerichtet. Eine halbe Stunde Powernapping soll die Konzentrations-, Leistungs- und Reaktionsfähigkeit erhöhen. Aus dem Süden kennen wir das schon lange. Versuchen Sie mal, in der spanischen Siesta einzukaufen. Außerhalb großer Metropolen können Sie das vergessen.
Und auch das Alter spricht ein Wörtchen mit bei den Schlafgewohnheiten. Bis in die Grundschulzeit klingeln innerer und äußerer Wecker recht synchron: Kinder sind oft schon mit Barbie, Lego oder iPad zugange, wenn Papa und Mama zum Morgenappell blasen. In der Jugend gehen die Uhren dann anders: Schlafrekorde von über zwölf Stunden sind keine Seltenheit, das morgendliche Aufstehen wird zum Mammut-Projekt.
Bei Erwachsenen pendelt sich der Schlafbedarf in der Regel bei sieben bis acht Stunden ein. Bis sich im Seniorenalter Schlafdauer und Aufwachzeit wieder dem Rhythmus der Kindheit nähern. Fiese Möpps sagen dazu senile Bettflucht.
Daneben gibt’s, und jetzt sind wir bei Paul und Clara, noch einen Unterschied: den von Mensch zu Mensch.
Lerche oder Eule – welche Schlafgewohnheiten haben Sie?
„Lerchen“ nennen Schlafforscher Frühaufsteher (und darum Früh-ins-Bett-Geher). „(Nacht)Eulen“ drehen abends auf, kommen morgens dafür schlecht aus der Koje. Beides ist „prädisponiert“. Frühaufsteher oder Langschläfer? Das liegt in den Genen. Anti-Morgenmuffel- oder Hallo-wach-Training bringen da wenig.
In der Arbeitswelt sind die Lerchen klar im Vorteil: Sie kämpfen weniger damit, in aller Herrgottsfrühe durchzustarten, sie sind früher einsatzbereit und leistungsfähig. Dumm nur: Etwa 80 Prozent von uns sind (eher) Eulen – Abendtypen in einer Frühaufsteher-Welt. Tröstet vielleicht, wenn Sie Radiowecker oder Smartphone mal wieder an die Wand klatschen könnten: Die müde Mehrheit fühlt mit Ihnen. Allmorgendlich abzulesen an den Augenrändern in Bus und Bahn.
Und in der Partnerschaft? Wer hat hier bessere Karten? Und wer hat Recht, wenn die Bettruhe verhandelt wird?
Wenn die Lerche mit der Eule
Clara: Lerche, Paul: Eule. Befund: klar, Therapie: hmmm … An der inneren Uhr kann keiner drehen. Erb-Eigenschaften sind nicht kompromissfähig. Was also tun, wenn Eule und Lerche Vogelhochzeit feiern?
1. Getrennt schlafen
In zwei Betten. In zwei Räumen. Gut für den Bio-Rhythmus, (auf Dauer) blöd für den Kuschel-Rhythmus.
Ein richtiges Bett – kein Klappsofa Marke Feldbett – im Arbeits- oder Gästezimmer ist trotzdem gut. Wenn’s mal kracht und eine Drüber-schlafen-Nacht Dampf vom Kessel nimmt. Oder wenn man mal allein schlafen will. Tipp: Dieses Bedürfnis geradeheraus äußern, statt sich das Laken zu teilen aus Angst, den anderen zu enttäuschen. Der eine will nicht, der andere, dass der andere von sich aus will – fühlt sich für beide doof an.
Übrigens – der Fachmann staunt, der Laie wundert sich: Frauen nächtigen laut einer Studie der Uni Wien einen Tick besser allein. Männer dagegen schlafen neben ihrem Schatz den Schlaf der Gerechten und sind im Schnitt morgens munterer als nach Solo-Nächten. Eine gute Nachricht haben die Wissenschaftler für beide: Sex verbessert seine UND ihre Schlafgewohnheiten. Er beruhigt und macht ausgeglichen. Na so was …
2. Nacheinander schlafen gehen
Bei unterschiedlichen Schlafgewohnheiten gang und gäbe. Und definitiv besser als diese Szene: Clara guckt nach dem Primetime-Programm alle fünf Minuten mit großer Geste und genervter Miene auf die Uhr, die Botschaft: „Wird’s bald?!“ Der hellwache Paul registriert das und wird so im Genuss des spätabendlichen Schweden-Krimis gestört. Und wieder: doof für beide.
Drei Abers:
a. Wie verhindern, dass die nachziehende Eule die Lerche weckt?
b. Wie verhindern, dass die Eule vom Wecker der Lerche aus dem Land der Träume gerissen wird – obwohl sie weiterschlafen könnte?
c. Was ist mit kuscheln? Bloß noch am Wochenende …?
Drei Ideen:
a. Ohropax (oder zwei Betten).
b. Ohropax (oder zwei Betten). Problem bei 1 und 2: Wer hört den Wecker?
c. Ab und zu antippen, Ohropax raus und … Geht nur im gleichen Bett versteht sich.
3. Mittelwege
Die Gene sind zwar taub auf dem Ändere-dich-Ohr. Was aber geht: Auch mal später Zähne putzen, ankuscheln und auf dem Sofa vordösen (Clara-Lerche). Auch mal früher das Licht ausmachen und mit Hörspiel im Ohr und Schatz im Arm in Ruhe runterfahren (Eule Paul).
Und das Beste aus den unterschiedlichen Schlafgewohnheiten machen: Clara macht das Frühstück und übernimmt auf der Urlaubs-Auto-Fahrt die Frühschicht. Paul ist fürs Abendessen zuständig und greift bei Nachtfahrten ins Steuer.
Samstags gehört Schatzi mir!
Wochenende! Wir-Zeit. Schmuse-Zeit. Zeit für Erotik! Freitag- und samstagabends wechseln Paul und Clara gemeinsam ins Kuschel-Zimmer. Nicht immer natürlich. Etwa wenn ein Männer- oder Mädelsabend ansteht, die/der andere sturmfrei hat und vor dem Nachtschwärmer in die Heia geht.
Doch egal ob es bei den Schlafgewohnheiten gleichzeitig oder nacheinander heißt: Fast immer ist Clara am nächsten Morgen früher wach als Paul. Dann stellt SIE sich die Was-nun-Frage: Ranrobben und wachkuscheln? Aufstehen und das Schmusen sausen lassen? Aufstehen und wieder unter die Decke krabbeln, wenn Paul wach ist? Liegen bleiben und warten, bis der Siebenschläfer die Augen aufmacht?
Weil der Wir-Abend so schön war – Paul hatte gekocht, dann wurd’s gemütlich –, entscheidet sich Clara diesmal für Ich-weck-ihn-mit-Kaffee-und-Brötchen. Leise zieht sie die Wohnungstür ins Schloss und spaziert mit Vorfreude im Bauch zum Bäcker. „Morgen knutsch’ ich ihn dafür gnadenlos wach.“
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